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BrainStore in the Newspaper "Die Zeit"

Die Zeit, one of the most renowned German weekly newspapers

Ideen von der Stange

Ihr Chef kennt Sie nicht? Holen Sie sich doch ein paar Einfälle aus dem BrainStore

VON ERIC BREITINGER

Wäre Monsieur Wagner nicht manchmal ein wenig mutig, hätte er wohl nie den BrainStore im schweizerischen Biel betreten, um bei einem wildfremden Verkäufer ein paar gute Ideen in Auftrag zu geben. Monsieur Wagner hat nämlich ein Problem: Sein Chef nimmt ihn nicht wahr, nicht richtig jedenfalls. Obwohl Monsieur Wagner, ein gelernter Photograph, schon seit acht Monaten im Lausanner Photomuseum Elysée arbeitet, kennt der Vorgesetzte bislang nur seinen Vornamen: Yves. Kein Problem für den Ideenverkäufer: "In einer Stunde können Sie wiederkommen."

Das Logo des BrainStores ist eine menschliche Hirnhälfte. Der Laden verkauft, was die Menschheit so dringend nötig hat: frisch entwickelte Ideen. Eine Weltpremiere, sagen die Betreiber. Seit November gibt es hier peppige Ideen für ein Tauffest bereits nach einer Viertelstunde Wartezeit und für 9,90 Franken. Und wer es braucht, bekommt ein vollständiges Konzept zur Verwandlung von Apfelsaft in ein Kultgetränk. Das dauert ein paar Tage länger, und die Summe auf dem Scheck muß mindestens fünfstellig sein.

Ob klein oder groß - produziert werden alle Einfälle gleich nebenan, von den 20 Mitarbeitern der Ideenfabrik. Durchschnittsalter: 23 Jahre. Das Unternehmen, die Dactis AG, gründete der 31jährige Markus Mettler vor neun Jahren, als er nach ein paar Semestern von ökonomischen Theorien genug hatte.

Die Geschäftsidee war simpel, aber für jeden, der an die Originalität menschlicher Geistesblitze glaubt, ein Schlag: Mettler behauptet, gute Ideen ließen sich in Serie produzieren, genau wie gute Schuhe. Alles, was man brauche, seien die richtigen Techniken und Menschen, die wissen, wann sie welches Werkzeug einsetzen müssen.

Zum Beispiel bei der Entwicklung eines neuen Produkts. Meist sondieren die Ideenwerker anfangs mit einer Umfrage die Marktchancen. Oft greifen sie auch zur Methode des Trendscouting: Freie Mitarbeiter erfassen konkurrierende Marken. So versuchen sie herauszufinden, ob das zu lancierende Produkt wirklich genug Neues enthält. Das dritte Werkzeug läßt sich gleichermaßen für Privatkunden einsetzen: Jugendliche entwickeln in einem leeren Raum, dem "Kreativlabor", in Rollenspielen oder beim Brainstorming die Rohideen.

Manchmal treffen sie sich mit Kunden für zwei Tage auf einer Alphütte. Falls nötig, sagt Mettler, könne seine Firma 500 Jugendliche aus der ganzen Schweiz mobilisieren. Die Mitarbeiter im Think Tank klopfen die Rohideen auf ihre Umsetzbarkeit ab und feilen sie aus. Am Ende sind die Einfälle reif für die Praxis - oder sie müssen sich erst noch beim Ideentest bewähren.

Am Anfang arbeitete die Dactis AG für Schülerzeitungen. Heute lebt sie davon, daß sie Ideen an angegraute Firmenleiter verkauft, die ihre Produkte auf jung stylen wollen, aber nicht wagen, ihre Kinder um Rat zu fragen. So rufen Nestlé-Manager an, die das klebrige Image der "Schoggi-Stengeli" aufzufrischen suchen. Der Zürcher Chips-Hersteller Zweifel kauft ein paar Dutzend Stunden Kreativität, um einem neuen Kartoffelsnack einen trendigen Namen, eine hippe Verpackung, kurz: einen Superauftritt zu verschaffen.

Getränkemanager dürsten nach kleinen Frechheiten für Coca-Cola light, die PR-Leute von Johnson & Johnson nach einem Schuß Jugendlichkeit für ihre Slipeinlagen-Werbung.

Die Kundenliste zählt mittlerweile 200 Firmennamen. Der Umsatz schnellte 1997 auf zwei Millionen Franken hoch, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Und seit neuestem bedient die Ideenfabrik auch Privatpersonen: im BrainStore. Etwa für die 80jährige Nachbarin, die nach einer neuen Beschäftigung für ihren frisch pensionierten 86jährigen Gatten sucht.

Der Verkäufer stellt den Projektor an, liest laut vor: "Trois idées pour monsieur Yves Wagner." Fünfundvierzig Minuten lang hatten fünf Jugendliche im Kreativlabor um Lösungen gerungen. Zuerst fabulierten sie drauflos, bis der Moderator sie auf das Thema Puzzle lenkte und ihre Assoziationen auf einer Tafel festhielt. Wagner solle ein Bild vergrößern, rät nun der Verkäufer, es zerschneiden und die Puzzleteile nach und nach dem Chef zuschicken. "Mein eigenes Bild?" fragt Wagner ungläubig. "Unsere zweite Idee: Schicken Sie Ihrem Chef zwanzig Photos von Personen, teils Bekannte, teils Fremde, darunter eines von Ihnen. Auf die Rückseite schreiben Sie: ,Wer ist Yves Wagner?'"

Der unglückliche Monsieur Wagner schaut nicht mehr gar so unglücklich drein.

Als dritte Lösung rät BrainStore ihm zu einer Bewerbung für die eigene Stelle, mit Zeugnissen und Photo. "Das hat Humor." Wagner lächelt. "Die Bewerbung gefällt mir, das Puzzle auch. Vielleicht läßt sich das kombinieren." Er legt sechzig Franken auf den Tisch. Und geht hinaus, unter dem Arm eine Mappe mit seinen Ideen. Gut möglich, daß sein Chef bald merkwürdige Post bekommt.